26. April 2012

Beschäftigte am AUGE/UG und KIV/UG Sozialgipfel fordern: „Sozialmilliarde statt Kaputtsparen des Sozial- und Gesundheitswesens!“

, SozialgipfelÜber 100 BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und Beschäftigte aus dem privaten und kommunalen Sozial- und Gesundheitsbereich formulieren Forderungen an Bundesregierung.

AUGE/UG (Alternative und Grüne GewerkschafterInnen) und KIV/UG (Konsequente Interessensvertretung) hatten am 18. März zum Sozialgipfel unter dem Motto „Wir stürmen den Gipfel zur Sozialmilliarde“ ins Wiener Rathaus geladen. Weit über 100 BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und Beschäftigte aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich – vor allem aus Wien und Niederösterreich – waren dem Aufruf gefolgt um einmal mehr nachdrücklich eine Sozialmilliarde für Investitionen in flächendeckende, bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Sozial- und Gesundheitsdienste und eine Verbesserung der Arbeits- und Einkommensverhältnisse für die Beschäftigten einzufordern.

Sozialwirtschaft hat enorme Beschäftigungspotentiale!

Mit 6.000 Unternehmen, 140.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 4 Mrd. Euro ist die Sozialwirtschaft ein wesentlicher, nicht nur sozialer, sondern auch wirtschaftlicher Faktor in Österreich. „Beschäftigungswirkungen von Investitionen im Sozialbereich sind etwa doppelt so hoch wie im Bauwesen“, führte etwa Nikolaus Dimmel, a.o. Univ.-Prof. an der Universität Salzburg und Experte für Sozialwirtschaft, aus. Massive Versorgungsdefizite mit entsprechenden Beschäftigungspotentialen bestünden vor allem im Bereich der Kinderbetreuung, der Pflege und des betreuten Wohnens. Beschäftigungszuwächse in der Sozialwirtschaft seien allerdings vor allem auf eine Atypisierung der Beschäftigung – vor allem Teilzeitarbeit – zurückzuführen, da die öffentliche Hand sich zusehends aus der Finanzierung sozialer Dienste zurückzieht und die Kosten immer mehr auf die KlientInnen abwälzt. Kurzfristige Förderverträge ließen keine Planungssicherheit im Sozialbereich zu. „Das erhöhe den Druck auf Vereine und Beschäftigte, befördere Dequalifizierungsprozesse und Lohndruck“, betonte Elisabeth Hammer, von der FH Campus Wien, Studiengang Soziale Arbeit und Mitbegründerin des Vereins Kritische Sozial Arbeit. Der Sozialbereich ist von niedrigen Löhnen, Arbeitsverdichtung und hohen Arbeitsdruck geprägt, es fehle überhaupt an einer umfassenden und integrierten ‚Sozialplanung‘, auf Bundes- wie auf Länder- und Gemeindeebene.

Soziale Arbeit braucht finanzielle Planungssicherheit und gesellschaftliche Aufwertung

„Eine zentrale Forderung an die Regierenden auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene muss daher sein, dass Finanzierungsvereinbarungen mittelfristig, über mehrere Jahre angelegt sind, um eine Planungs- und Bestandssicherheit im personellen, strukturellen und inhaltlichen Bereich zu gewährleisten und es braucht entsprechend eine deutliche Aufstockung finanzieller Mittel. Die Einkommen der Beschäftigten im Sozialbereich liegen 20 % unter dem Durchschnitt, die Zahl der ‚Working Poor‘ ist in der sozialen Arbeit, vor allem im Bereich der Pflege, die ohnehin von hoher psychischer und physischer Belastung geprägt ist, dramatisch am Steigen. Neben Planungssicherheit, braucht es auch eine deutliche finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung von sozialen und Gesundheits-Berufen, die ja nachgewiesener Maßen einen hohen sozialen und gesellschaftlichen Mehrwert erwirtschaften,“ fasst Markus Koza, Bundessekretär der AUGE/UG, einen Teil des von den TeilnehmerInnen am Sozialgipfel formulierten Forderungspakets zusammen.

Qualität statt Dequalifizierung

„Soziale Arbeit ist Arbeit mit und für Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und muss daher anders bewertet werden als industrielle Fertigungsprozesse. Diese Arbeit ist besonders intensiv und belastend, Beschäftigte in der sozialen Arbeit sind allerdings immer mehr von einer Ausdehnung ihrer Tätigkeitsfelder – vor allem mit organisatorischen und bürokratischen Tätigkeiten – betroffen, was zu Dequalifizierungsprozessen führt, im privaten wie im kommunalen Sozial- und Gesundheitsbereich. Steigender Arbeitsdruck, eine Verschlechterung der Relation zwischen Qualifikationsanforderungen und uneinheitliche Qualitätsvorgaben machen eine stark an den Problemlagen und Bedürfnissen der KlientInnen orientierte soziale Arbeit und Versorgung mit Gesundheits-Dienstleistungen zunehmend unmöglich. Soziale Arbeit braucht daher mehr Geld, damit die entsprechenden qualitativen Versorgungsangebote orientiert an den Interessenslagen der KlientInnen, und nicht orientiert an vorgegebene Kennzahlen á la New Public Management-Konzepten, wieder ermöglicht werden. Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in der sozialen Arbeit ist ein Kampf für einen anderen Wohlfahrtstaat, der allen Gesellschaftsschichten nutzt, über Einkommensgrenzen hinweg“, fasst Christine Rudolf, politische Sekretärin der KIV/UG und Arbeiterkammerrätin der AUGE/UG weitere Forderungen der Beschäftigten zusammen.

Heftige Kritik an Sparmaßnahmen im Bereich Soziales – Her mit der Sozialmilliarde!

Die geplanten Sparmaßnahmen im Rahmen der Budgetkonsolidierung – im Bereich Soziales alleine 2011 beinahe 86 Mio. Euro, im Bereich Arbeitsmarkt fast 125 Mio. Euro – stoßen jedenfalls auf heftige Kritik: „Gerade aus Mitteln der Arbeitsmarktpolitik sowie aus dem Kapitel Soziales werden soziale Vereine und Projekte gefördert. Kürzungen in diesen Bereich drohen unmittelbar zulasten sozialwirtschaftlicher Betriebe, deren Beschäftigten und deren KlientInnen und Angehörigen zu gehen.“, betont Markus Koza.

Gerade jetzt braucht es hier keine Sparpakete, sondern im Gegenteil, massive Investitionen. Investitionen in den privaten wie kommunalen Sozial- und Gesundheitsbereich rechnen sich gleich: sie führen zu Beschäftigung und Einkommen, schließen Versorgungslücken, erhöhen die Versorgungsqualität und produzieren einen hohen sozialen Mehrwert. Sie ermöglichen überhaupt erst, dass Angehörige von KlientInnen einer Erwerbsarbeit nachgehen können – v.a. Frauen.

„Wir fordern daher das Parlament auf, endlich die versprochene Enquete zur Sozialmilliarde zu veranstalten und sich der Diskussion mit den Anliegen der Beschäftigten und ihrer KlientInnen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich zu stellen! Dass die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich den drohenden sozialen Kahlschlag in ihren Bereichen nicht einfach hinnehmen, hat der Sozialgipfel auch gezeigt. Und nicht zuletzt der durchaus erfolgreiche ‚Kindergartenaufstand‘ sowie die Proteste im Rahmen der BAGS-KV-Verhandlungen haben eindrucksvoll bewiesen, das die Beschäftigten aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich durchaus in der Lage sind, für ihre Interessen und für qualitativ hochwertige soziale Dienste zu kämpfen,“ schließen AUGE/UG und KIV/UG.