15. Juli 2015

Wir trauern um Richard Koller

Unsere Begegnungen mit Richard Koller gehören wohl zu den außergewöhnlichsten Höhepunkten in unseren Leben. Beim Denken an Richard entsteht zur Traurigkeit das Nachklingen von so viel heiter sich entfaltender Lebenslust – dieses Lebensgefühl nenne ich ALLEGRIA! Richard hat in seinem Leben so viel in Bewegung gebracht und gestaltend zum Wachsen geführt, er hat Lebendigkeit ausgelöst und uns spüren lassen, was bedingungslose Liebe ermöglicht, er lebte so intensiv im Hier und Jetzt.

Richard Koller wurde am 05. Februar 1947 in Wien geboren und hat den Großteil seines Lebens gern in dieser Stadt gelebt. Für sein Philosophiestudium musste er arbeiten – unter anderem war er Mietchauffeur und Reiseleiter, kam so bis Sizilien und sein Italienisch war zugleich ein Liebesbekenntnis zu diesem vielfältigen Land. 1987 konnte er sein Doktorat abschließen, damals war er schon im EDV-Bereich des Bundesrechenzentrums beschäftigt. Davor hatte er im neu aufstrebenden EDV-Markt selbständig Hardware und dazu passende Service-Dienstleistungen verkauft – er kannte also den Arbeitsmarkt von mehreren Seiten aus eigenem Erleben.

Richard hat gern und viel Zeitung gelesen, er konnte unmittelbar großartig kritisch reagieren und sprachgewandt Vorstellungen entwickeln über langfristige Wirkungen ausgehend von tagespolitischen Aufmachern. Immer schon aktiv in politischen Organisationen war ihm wichtig, dass sich Betroffene nicht nur über ihre Problemlagen austauschen können, sondern dass sie sich gemeinsam mit ihm für die Verbesserung der Bedingungen der ArbeitnehmerInnen und für den Antifaschismus einsetzen. Für eine Demokratisierung der Arbeitswelt setzte er auf den öffentlichen Dienst, der sich ab dem Zeitpunkt des EU-Beitritts von Österreich stark zu verändern begann. Seine Sprachbegabung ermöglichte ihm binnen kürzester Zeit mit anderen Menschen in einen persönlichen Austausch zu kommen – ob es sich dabei um eine Sprache wie Polnisch, um Salzburger Dialekt oder um intellektuelles Geplänkel handelte, Philosoph, Politiker oder Hackler – Richard erreichte sein Gegenüber unmittelbar durch sein Einfühlungsvermögen in eine gemeinsame Sprache.

Seine große Leidenschaft für die Wiener Hausberge teilte er mit seiner Tochter Vera, gemeinsam haben sie dort viele schöne Stunden verbracht – von Schwammerlsuchen über Klettern, Schifahren und Schwimmen war alles dabei. Ab und zu saß er auch allein in einem Boot um zu angeln, Segeln wollte er noch lernen, Tennis und besonders Tischtennis spielte er mit Begeisterung. Er war Autofahrer, Motorradfahrer, Radfahrer und Fußgänger, all das jeweils aus vollster Überzeugung und im Anlassfall mit entsprechender Streitbarkeit.

Insgesamt verlangte er immer von sich, voll bei der Sache zu sein – in seiner aktiven Zeit war er mit ganzer Kraft Unabhängiger Gewerkschafter und im Dauereinsatz für die Unabhängigen GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst – UGöD. Richard explodierte manchmal in überwältigender Weise, wenn ihm wichtige Anliegen in Gefahr gerieten, im Nu formulierte er druckreife Stellungnahmen und Pressemitteilungen. Er arbeitete intensiv für die Gründung unabhängiger Betriebsratsfraktionen in ausgegliederten Betrieben und Personalvertretungen in ganz Österreich. Er förderte Frauen, die sich gewerkschaftlich engagieren wollten, ermutigte sie und traute ihnen viel zu. Bei der Ausformulierung der Anliegen von Frauen in der Arbeitswelt war er ein aufmerksamer Zuhörer und nahm die Gestaltung nicht wie sonst oft gleich selber in die Hand, sondern stellte sich fördernd hinter sie und trat dafür ein, dass sie selber die Öffentlichkeit für sich einnehmen, weil sich Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zuerst auf Frauen und Kinder auswirken . In der UGöD-Bundesleitung hatten die meisten seiner MitstreiterInnen das Gefühl, dass Richard mit seinem unruhig hellen Geist im Dauereinsatz für ArbeitnehmerInnen-Interessen ist und rund um die Uhr arbeitet, diesen Eindruck verstärkten Mails, die er um 3 Uhr früh abschickte, bevor er sich selber eine kurze Rast gönnte.  Wir konnten uns alle so sehr auf ihn verlassen und fühlten uns so gut von ihm vertreten, dass wir nach seiner schweren Erkrankung nur als Gruppe gemeinsam weiterarbeiten konnten – die Frage nach einer anderen Persönlichkeit an der Spitze stellte sich für uns gar nicht, diese Position war seine und langsam nur ließen wir uns von den äußeren Notwendigkeiten dazu bringen, dass wir eine Frau und einen Mann sich vorne hinstellen ließen für die öffentliche Wahrnehmung. Die inhaltliche Bearbeitung unserer Themen erfolgt basisdemokratisch und lösungsorientiert entsprechend unserem UGöD-Plattform-Text, den wir gemeinsam mit Richard formuliert haben. So denke ich, ist die UGöD nach wie vor ganz in „Seiner Sache“ unterwegs und wird sich auch als anerkannte Fraktion in der GÖD nicht die bunten Federn in den Flügeln stutzen lassen. Sein Kampf für mehr Demokratie und Minderheitenrechte in der Arbeitswelt, den er vor mehr als 2 Jahrzehnten begann, werden wir fortsetzen nach seinem Motto: ganz oder gar nicht! Dank seiner Tochter Vera kennen wir seine letzten Worte: ich arbeite daran!!

Beate Neunteufel-Zechner und Reinhart Sellner, 9.7.2015