In einer 3-tägigen Klausur Ende November stellten die ÖGB-Granden die Weichen für die ÖGB-Reform. Führen sie in die Zukunft oder auf das Abstellgleis?
Von Klaudia Paiha
Das Überraschendeste: die Klausur verlief erstaunlich harmonisch. Und das, obwohl sich in den Wochen davor VertreterInnen der verschiedenen Einzelgewerkschaften intensiv öffentliche Matches geliefert hatten – v.a. über die Frage: starke Blöcke oder starker einheitlicher ÖGB.
Diese – nicht unwesentliche – Frage war auf der Klausur allerdings kein Thema. Medial war zu erfahren, dass sie entschieden sei. Wer das wo getan hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls war’s nicht der ÖGB-Bundesvorstand und der Kongress hatte auch noch nicht die Gelegenheit dazu ….
Erstmals im Reformprozess waren die Entscheidungsträger im ÖGB und den Einzelgewerkschaften gezwungen, sich mit anderen als den eigenen Reformvorschlägen auseinander zu setzen. Als Entscheidungshilfe wurden ihnen auch die Ergebnisse der Mitgliederbefragung und Regionalkonferenzen präsentiert. Ein paar Highlights daraus:
mehr direkte Demokratie und Mitbestimmungsmöglichkeiten halten 89% aus der Mitgliederbefragung und 77% der Regionalkonferenz-TeilnehmerInnen für eher bis sehr wichtig
Transparenz und Kontrolle war für 90% aus der Mitgliederbefragung und 43% bei den Regionalkonferenzen Thema
Abschaffung bezahlter Mehrfachfunktionen war 88% aus der Mitgliederbefragung und 30,5% bei den Regionalkonferenzen wichtig
Stärkung der Überparteilichkeit, parteipolitische Unabhängigkeit, Verhinderung von Interessenskonflikten war für 80% aus der Mitgliederbefragung und 15,8 bei den Regionalkonferenzen ein wichtiges Thema.
Bei aller Schwäche und Interpretierbarkeit der Befragungen: Tendenzen lassen sich daraus allemal ableiten.
Glaubwürdigkeit
Grundlage für den “neuen ÖGB” muss wohl oder übel die (wieder-?)Erringung der Glaubwürdigkeit sein – daher stand die Behandlung des Endberichts der Teilprojektgruppe “Neue Glaubwürdigkeit” auch am Beginn der Beratungen. Und begonnen hat es – wie es sich für eine Musiknation wie Österreich gehört – mit einem Streichkonzert. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: manches davon wurde an anderer Stelle – nicht mehr ganz so konkret – wieder irgendwie berücksichtigt. Zu dem ‚irgendwie‘ kommen wir später noch einmal.
Folgende fünf Leitsätze sollen nun in die ÖGB-Statuten bzw. in bereits bestehende Leitlinien aufgenommen werden:
+ “Wir GewerkschafterInnen sind politisch denkende und überparteilich handelnde Menschen. Wir sind beispielgebend und zeigen auch durch Aktionismus eine soziale, die Gleichstellung der Frauen fördernde sowie multikulturelle Haltung. Wir vertreten in Wort und Tat konsequent die Mitgliederinteressen.”
+ “Unsere Organisation ist flexibel und unbürokratisch, sowie sparsam, effizient und transparent in allen finanziellen Angelegenheiten mit einer wirksamen Kontrolle.”
+ “Wir entwickeln die innerorganisatorische Demokratie ständig weiter. Um der Vielfalt der Interessen der Menschen in unserer Organisation Rechnung zu tragen, fördern wir eine offene und ehrliche Diskussion und Kommunikation. Wir haben den Auftrag, in allen Gremien alles zu hinterfragen.”
+ “Um eine umfassende Transparenz zu gewährleisten, präsentieren sich vor einer Wahl alle KandidatInnen und stellen sich einer Diskussion. Alle Bestellungen von MitarbeiterInnen und FunktionärInnen erfolgen nach einem transparenten Auswahlverfahren.”
+ “Der ÖGB richtet sich in seinem wirtschaftlichen Handeln, in der Auftragsvergabe, im Führen eigener Betriebe und in der eigenen Organisation nach ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien.”
Rausgefallen ist der sechste Leitsatz: “Wir haben einen Lebensstil und ein Einkommen, das in einem akzeptierten Verhältnis zu den von uns vertretenen Mitgliedern steht.” Zur Einkommensfrage ist die Einsetzung einer ExpertInnengruppe beschlossen worden, die bis zum Bundeskongress Details einer Obergrenzen-Regelung für Bezüge erarbeiten soll. Die Eckpunkte dazu: maximal zwei Funktionen, insgesamt maximal EUR 5800,- netto. Der ‚Lebensstil’ steht gar nicht mehr zur Debatte. Vornehme Stimmenthaltung kam bei dieser Frage von der GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst).
Ebenfalls nicht unmittelbar zur Umsetzung kommt der Vorschlag der Teilprojektgruppe, Fraktionslose, MigrantInnen, Erwerbsarbeitslose, Menschen mit Behinderungen und andere Benachteiligte in ÖGB-Gremien aufzunehmen. Dazu soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die sowohl deren politische als auch strukturelle Berücksichtigung erarbeiten soll und jährlich dem ÖGB-Bundesvorstand zu berichten hat. – Und damit sind wir auch schon bei dem angekündigten ‚Irgendwie‘: sollte diese Arbeitsgruppe die Sache mit Ernsthaftigkeit und gutem Willen betreiben, so ist nichts dagegen einzuwenden. Die Strukturen des ÖGB und der Einzelgewerkschaften sind so komplex, dass eine optimale Vorgehensweise zur Berücksichtigung aller Bevölkerungsgruppen nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Als ‚gelernte‘ Gewerkschafterin in Österreich allerdings bestehen alle Gründe zu berechtigtem Zweifel … – aber jetzt wird ja alles anders und alles gut!
Gestrichen wurde auch ein Passus, in welchem sich das ÖGB-Präsidium und die ehemaligen BAWAG-Aufsichtsräte aus dem ÖGB zu ihrer politischen Mitverantwortung bekennen. Wenn ich mich recht entsinne, mit dem Argument, dass das selbstverständlich sei – soweit man etwas davon gewusst hätte ….
Zur Frage der Trennung einer gewerkschaftlichen Spitzenposition und einem Sitz für eine Partei in der Legislative konnte keine Einigkeit erzielt werden – sie scheiterte an der GÖD.
Beschlossen wurde eine moralisch-politische Grundsatzüberlegung, deren Realisierung Fraktionsangelegenheit sei. Im Wortlaut liest sich das so: „Um der von den Mitgliedern stark gewünschten Überparteilichkeit des ÖGB nachzukommen, erachten wir es für wichtig, dass die Funktion des/der ÖGB-PräsidentIn und der Gewerkschaftsvorsitzenden frei von ‚parteipolitischen Zwängen’ ist. Die ‘Interessenfunktion’ ist höher als eine ‚Parteifunktion’ zu bewerten. Die Handhabung und Umsetzung obliegt den Fraktionen im ÖGB.”
Fix ist hingegen, dass nunmehr Frauen entsprechend ihrem Mitgliederanteil in den Gewerkschaftsgremien vertreten sein müssen. Und ausserdem, dass – welch‘ Ausgeburt an demokratischem Übereifer – eine Minderheitsfraktion den Vorsitz der Kontrolle bekommt. Dass die Fraktion Christlicher Gewerkschafter, die zweitgrösste von sechs anerkannten Fraktionen im ÖGB, sich nun schon im Kontrollvorsitzsessel sieht, spricht Bände über deren Demokratieverständnis.
Organisation
Die gute Nachricht zuerst: es gibt ein Bekenntnis zu flächendeckenden Gewerkschafts-Regionalstrukturen. Die schlechte Nachricht: Sie bleiben, wie sie sind.
Nach wie vor sollen verschiedene Einzelgewerkschaften vor Ort tätig sein, doch nunmehr soll dies koordinierter vor sich gehen. In jedem Bundesland haben alle Einzelgewerkschaften gemeinsam eine „Betreuungslandkarte“ zu erstellen, in welcher die gewerkschaftlichen Notwendigkeiten der verschiedenen Regionen dargestellt werden. Dann soll es verbindliche Vereinbarungen geben, wer wofür zuständig ist. Durch gemeinsame Regionalbüros soll die Betreuung sichergestellt werden.
Klingt gut. Wenn – ja, wenn da nicht die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften wäre. Nachdem die einzelnen „starken Blöcke“ ja die Verfügungsgewalt über „ihre“ Mitgliedsbeiträge haben wollen, wird’s wohl oder übel verstärkt das Gerangel um die Mitglieder geben. Grossbetriebe werden interessanter sein, als etwa kleinstrukturierte Handels- oder Gastronomiebetriebe mit stark fluktuierendem Personal und hohem Betreuungsaufwand, Betriebe mit hochqualifizierten Beschäftigten ob ihres höheren Mitgliedsbeitrages interessanter als beispielsweise Betriebe mit hohem Anteil an unterbezahlten MigrantInnen. Das heisst, um die einen wird man sich streiten, die anderen werden eher auf der Strecke bleiben. Gerne würde ich durch gegenteilige Erfahrungen eines Besseren belehrt werden …
Übrigens: eine Einzelgewerkschaft hat bereits signalisiert, dass sie sich nicht unbedingt an einer gemeinsamen koordinierten Regionalbetreuung beteiligen will: die GÖD hat sich bei diesem Beschluss der Stimme enthalten.
Mitsprache und Mitbestimmung
„Es ist ein erklärtes Ziel, mehr Mitglieder als Mitwirkende und EntscheidungsträgerInnen zu gewinnen“, heisst es in der offiziellen Presseaussendung des ÖGB. Na, das ist ja schon was! Grundsätzlich erfolgte ein Bekenntnis, dass sowohl BetriebsrätInnen als auch Mitglieder im ÖGB und den Einzelgewerkschaften etwas mitzureden haben sollen.
Zum Beispiel durch Direktwahlen. Doch hier gibt’s noch Klärungsbedarf. Z.B. Was genau soll gewählt werden: die Zusammensetzung von Gremien? Einzelne Funktionen, z.B. PräsidentIn? Die Delegierten zu einer Konferenz, welche dann ihrerseits Funktionen bzw. Gremien wählen? Und: Wie können bei Direktwahlen Quoten und ein Minderheitenschutz garantiert werden, z.B. für Mitglieder mit Migrationshintergrund, Erwerbsarbeitslose, Frauen, kleine Fraktionen, …? Eine Umsetzungsgruppe soll nun beauftragt werden, verschiedene Varianten auf regionaler und Einzelgewerkschaftsebene zu erarbeiten und zu testen. Diese hat halbjährlich dem ÖGB-Präsidium zu berichten und nach 2 Jahren einen Zwischenbericht über die Umsetzung an den ÖGB-Bundesvorstand zu liefern. Ziel ist, beim nächsten ÖGB-Kongress die beste Form der Direktwahlen statutarisch zu verankern.
Ebenso sollen zeitlich befristete, projektorientierte Mitbestimmungsmöglichkeiten für BetriebsrätInnen und Mitglieder installiert werden, die sowohl seitens der Organisation als auch von den Betroffenen eingefordert werden können. So soll es beispielsweise BehindertenvertreterInnen künftig möglich sein, sich in dieser Funktion zu treffen, auszutauschen, politische Forderungen zu entwickeln und eineN VertreterIn stimmberechtigt in das Gewerkschaftsgremium zu entsenden. Aber auch Mitglieder sollen zu ihnen wichtigen Themen, z.B. Arbeitszeitverkürzung, oder aufgrund gemeinsamer Betroffenheit, z.B. als PendlerIn, in Projektgruppen Positionen entwickeln und stimmberechtigte VertreterInnen entsenden können.
Die genauen Spielregeln für diese Projektgruppen müssen noch entwickelt werden. Eins ist jedenfalls schon fix: entgegen dem Vorschlag der Teilprojektgruppe soll die Entscheidung über Einrichtung und Dauer derartiger Projektgruppen letztlich das jeweilige Gewerkschaftsgremium treffen. Das ist der eingebaute Not-Stopp, damit nicht allfällige Lobbygruppen hunderte Projektgruppen initiieren und damit die gesamte Organisation lahm legen – möglicherweise gar zu Positionen, die in den Gewerkschaftsgremien bereits abgelehnt wurden …
Auch zur Entwicklung von Modellen für Urabstimmungen, Mitgliederbefragungen und Nicht-Mitglieder-Befragungen wird am ÖGB-Kongress eine Umsetzungsgruppe bestimmt werden, die innerhalb von 2 Jahren ein Zwischenergebnis abzuliefern hat.
Strikt abgelehnt wurden Basisabstimmungen zu Kollektivvertragsverhandlungen. Die Argumente reichten von taktischen Überlegungen über angebliche Undurchführbarkeit und hohen finanziellen Aufwand bis hin zur Nicht-Zuordenbarkeit einzelner Mitglieder.
Bei der Frage der Berücksichtigung von Fraktionslosen in der Gewerkschaftsarbeit war das Engagement der ÖGB-Granden naturgemäss nicht übermässig hoch. Es wurde eine weiterführende Arbeitsgruppe beschlossen, die sich – gemeinsam mit Fraktionslosen – die derzeitigen Mitwirkungsmöglichkeiten in verschiedenen Gewerkschaften anschauen und weitere Vorschläge machen soll. Zwischen den Zeilen war herauszuhören, dass man sich für Fraktionslose einen gewissen Minderheitenschutz überlegen könnte – ungeachtet der Tatsache, dass diese in einigen Bereichen bereits die Mehrheit ausmachen …. Die Einbindung von Fraktionslosen ist allerdings eng verknüpft mit der Frage der Gewerkschaftswahlen: wenn etwa künftig die Zusammensetzung von Gremien direkt durch die Mitglieder gewählt werden soll, dann müssten auch Fraktionslose in irgendeiner Form kandidieren und wahrscheinlich wahlwerbende Gruppen bilden.
Dem Thema ‚Minderheitenfraktionen’ erging es ähnlich. Im Prinzip sei alles eine Frage von Wahlergebnissen war etwa der Tenor im erlauchten Kreis, in welchem die Minderheit die Minderheit war. Zur Fraktionsfinanzierung soll eine Umsetzungsgruppe eine neue Grundlage entwickeln. Der Vorschlag der Teilprojektgruppe mit Sockel und Steigerungsbetrag soll als Diskussionsbeitrag dienen. Verbindliche Verwendungskriterien sollen festgelegt werden.
Als Rahmenbedingung müsse aber erst der Status der ÖGB-Finanzen geklärt sein.
Die Sozialpartnerschaft wird nicht mehr ganz als das Gelbe vom Ei gesehen. Es ist unbestritten, dass ein zweites Standbein mit NGOs als neue KooperationspartnerInnen entwickelt und die Kampagnen- und Aktionsfähigkeit ausgebaut werden muss. Auch die Erarbeitung einer wissenschaftlichen und praxisbezogenen Stärken-Schwächen
Analyse zur Sozialpartnerschaft zur Ableitung von Optionen zur Durchsetzung von
AN-Interessen wurde beschlossen.
Zielgruppen
Zielgruppenarbeit soll statutarisch als eine der Kernaufgaben der Gewerkschaft verankert werden – im Wissen, dass diese auch Ressourcen braucht. Ein von der Teilprojektgruppe entwickeltes Modell zur Umsetzung von Zielgruppenarbeit, welches aus einer fachlichen, einer Betreuungs- und einer Koordinationsebene mit jeweils definierte Aufgaben besteht, soll erprobt und evaluiert werden. Der Startschuss dazu erfolgt auf dem ÖGB-Kongress.
Als Pilot-Zielgruppen wurden nach dem Kriterium der leichten und sinnvollen Umsetzbarkeit ausgewählt:
– Sozialberufe
– TeilnehmerInnen in AMS-Maßnahmen und
– atypisch Beschäftigte
Die in einer früheren Phase einmal gut „im Rennen“ gelegene Zielgruppe “MigrantInnen“ ist in der Prioritätenreihung leider wieder nach hinten gerutscht ….
Ob VertreterInnen der jeweils schwerpunktmässig ins Auge gefassten Zielgruppe auch in Entscheidungsgremien verankerte werden sollen, gehört zur offenen Frage der Integration von „benachteiligten Gruppen“.
Zur künftigen Identifizierung neuer Zielgruppen wurde ein „Werkzeugkoffer“ entwickelt, der künftig von den Gewerkschaften verwendet werden soll. Voraussetzung für zielorientierte Mitgliedereinbindung ist auch die Erhebung von Interessen bei (potentiellen) Mitgliedern und Erfassung in einer Datenbank – sofern die Mitglieder dies wollen. Ist ja auch nicht so ohne, gleich ein Seelenstriptease zu machen, wenn mensch Gewerkschaftsmitglied werden will …
Kommunikation
Basis der Vorschläge der Teilprojektgruppe zur künftigen Kommunikation des ÖGB waren: eine klare und einheitliche Kommunikationsstrategie, die entsprechende interne Organisation dazu und eine veränderte – dialogförmige – Kommunikation mit den Mitgliedern. Dazu haben sich die Gewerkschaftschefs einstimmig bekannt.
Als wichtige Voraussetzungen für eine neue Form der Kommunikation wurden genannt – und von den Gewerkschaftsoberen unwidersprochen hingenommen: Geschlechtergleichstellung, die eine stärkere Einbindung von Frauen in der Gewerkschaftsarbeit bedeutet; Konfliktmanagement und -kultur – Diskussionen fördern und Kritik zulassen; transparentes Entscheidungs- und Beschlussmanagement inkl. Evaluierung der Umsetzung von Beschlüssen.
Sehr ausführlich wurde mittels ExpertInnen-Interviews die gewerkschaftliche Medienlandschaft unter die Lupe genommen und ihr kein gutes Zeugnis ausgestellt: „am Bedarf vorbei produziert“, „wenig Zielgruppenorientierung“, „Hofberichterstattung“ lauteten die Analysen – und das bei 15 offiziellen, periodisch erscheinenden Printmedien mit Erscheinungsweise von 4 bis 43 mal im Jahr zu sehr hohen Kosten. Die Teilprojektgruppe legte nun verschiedene Varianten der Reduktion und Vereinheitlichung der Gewerkschaftsmedienlandschaft vor, von Beibehaltung aller Medien und Reduzierung der Ausgabenanzahl über das gemeinsame Monatsmagazin mit Einzelgewerkschafts-Mutationen bis zur Wochenzeitung in Sebstbedienungstaschen oder 14-Tages-Magazin als Tageszeitungs-Beilage. Das Einsparungsvolumen reichte von 2,2 Mio. bis 4,5 Mio. Euro jährlich – ein schöner Patzen Geld, den der ÖGB dringend brauchen könnte.
Vereinbart wurde als erster, sofort umzusetzender Schritt die Reduzierung der bisherigen Monatsmedien auf maximal 8 Ausgaben/Jahr und die Entwicklung eines Gesamtmedienkonzepts bis 30. Juni 2007.
Neben der verstärkten und verbesserten Nutzung der neuen Technologien, lag ein Schwerpunkt der Teilprojektgruppe auf der Direktkommunikation mit den Mitgliedern. Dazu wurden einerseits Massnahmen vorgeschlagen, die eine höhere Präsenz der Gewerkschaften im öffentlichen und privaten Raum versprechen, etwa verstärkte Strassenwerbung mit „ÖGB on the Road“, „ÖGB@work“ oder „ÖGB@home“ nach der Idee der Tupperparties, also GewerkschaftsvertreterInnen, die direkt nach Hause oder an den Arbeitsplatz zur gemeinsamen Diskussion kommen, eine jährliche Fachmesse zum Arbeit-Bildung-Soziales.
Andererseits gehören zur Direktkommunikation auch regelmässige Regionalkonferenzen mit Mitgliedern und FunktionärInnen zu gewerkschaftlichen, politischen oder regionalen Themen, Direktwahlen und Mitgliederbefragungen.
Thematisiert wurde auch der dringend notwendige Schritt von der Mitglieder-„Verwaltung“ zur Mitglieder-„Beziehung“, wobei sowohl für serviceorientierte als auch für politisch orientierte Mitglieder und FunktionärInnen attraktive Angebote entwickelt bzw. Bestehendes besser kommuniziert werden sollen.
All diese Vorschläge wurden in der Klausur von den EntscheidungsträgerInnen einstimmig beschlossen und harren somit der Umsetzung …
Verwaltung
Zum Thema Verwaltung gab es im Vorfeld viel zu sagen und viel zu streiten. Da wurden Königreiche verteidigt und Machteinflüsse gesichert – unglaublich, welch banalen Dinge zu heftigen Divergenzen führen können!
Es mag zynisch klingen, ist aber wirklich so: als grosser Wurf kann nun gefeiert werden, dass die Mitgliederevidenzen aller Gewerkschaften künftig in einem technischen System, in einer einheitlichen Organisationseinheit mit einer Verantwortlichkeit und mit einheitlichem Arbeitsablauf (unter Berücksichtigung unbedingt notwendiger Zielgruppen- oder gewerkschaftsspezifischer Eigenheiten) zu betreiben sind. Was über Jahrzehnte heftig umkämpft und umstritten war und zu unendlicher Mühsal und Kosten bei gemeinsamen Aktivitäten geführt hat, soll nun endlich möglich werden.
Auch andere, selbstverständlich klingende Dinge wurden nun erstmals beschlossen: eine einheitliche Buchhaltung, ein gemeinsamer zentraler Einkauf, eine koordinierte, vereinheitlichte Informations- und Telekommunikationstechnologien-Betreuung.
Resumee
Die Einschätzung der Ergebnisse ist schwierig und kommt darauf an, ob mensch zur „halbvolles“- oder „halbleeres Waserglas“-Fraktion gehört.
Nach wie vor mangelt dem gesamten Reformprozess eine Analyse darüber, was zur Krise geführt hat, vor welchen gar nicht mehr so neuen Herausforderungen die Gewerkschaft auch in Österreich steht, nach wie vor bemühen sich viele SpitzenfunktionärInnen von einer ausschliesslich ökonomischen Krise zu sprechen.
Beschlossen geworden ist bei der Klausur dennoch vieles, was Schritte in die richtige Richtung zulässt – mehr als in den vergangenen 15 Jahren des „ständigen Organisationsausschusses“ des ÖGB – aber Papier ist geduldig. Wie immer wird darauf ankommen, ob und wie die Umsetzung betrieben wird. Im Unterschied zu bisher soll es künftig klare Verantwortlichkeiten der einzelnen ÖGB-Präsdidiums-Mitglieder für verschiedene Bereiche geben – aber es wird auch davon abhängen, ob und von wem diese Verantwortung eingefordert werden wird.
Sagen wir mal so: die Weichen sind zwar gestellt, aber an etlichen Gleisen wird noch gebastelt. Der Zug könnte zwar abfahren – aber ob er das tut, mit welchem Tempo und mit welchen Zwischenhalten, um allfällige Reisewillige mitnehmen zu können, ist auch noch nicht ganz heraussen. Aber als Verfechterin des öffentlichen Verkehrs bin ich voll Zuversicht, dass er kommen wird. Und wenn nicht, werden wir halt wieder in den Schaltzentralen unseren Unmut kundtun müssen und uns notfalls auch wieder auf die Baustelle begeben …
Die Ergebnisse der Mitgliederbefragung und Teilprojektgruppen sind nachlesbar unter http://www.oegbreform.at.