Zusatzerklärungen hin, Zusatzerklärungen her: diese haben bisher an der Substanz des Investitions- und Freihandelsabkommen nichts geändert und können die Kritikpunkte nicht entkräften. Es bleibt daher bei unserem klaren gewerkschaftlichen NEIN zu CETA.
Die Bundesregierung ist daher dringend aufgefordert, CETA abzulehnen:
1. Weil wesentliche Punkte – wie etwa Sonderklagsrechte ausländischer InvestorInnen, das Vorsorgeprinzip oder die Sanktionierbarkeit von Verstößen gegen Arbeitsrechte neu verhandelt werden müssen.
2. Weil mit dem Urteil von Karlsruhe parlamentarische Mitbestimmungsrechte in CETA stärker zu verankern sind und daher substanzielle Vertragsänderungen – etwa betreffen die Demokratiedefizite im gemeinsamen CETA-Ausschuss – unabdingbar geworden sind.
Diese Ablehnung ist nicht zuletzt deshalb wichtig, um auch ein klares Zeichen gegen die Vorgangsweise rund um die Vertragsverhandlungen und den Abschluss zu setzen. Diese verliefen intransparent, ohne wirkliche Beteiligung und Konsultation von Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Umweltverbänden sowie der Parlamente der Mitliedsstaaten u.v.m.
Die Ablehnung scheint insbesondere auch dahingehend wichtig und richtig – selbst im nationalstaatlichen Alleingang – weil CETA ein Ära neuer Investitions- und Freihandelsabkommen einleiten soll und als Vorbild für künftige bilatere und multilarterale Handelsverträge dienen soll.
Die Hauptkritikpunkte die seitens der AUGE/UG bestehen bleiben:
- Die privilegierten Klagsrechte ausländischer InvestorInnen bleiben erhalten. Es braucht in entwickelten Rechtsstaaten weder Sonderrechte für ausländische InvestorInnen noch Sondergerichte, schon gar nicht, wenn nicht sichergestellt ist, dass sie mit unabhängigen Richtern besetzt sind. CETA, so wie es vorliegt, stellt v.a. für Gesetzesänderungen im Sinne sozialer Sicherheit, des ArbeitnehmerInnen- und Umweltschutzes eine Gefahr da, da derartige Klagsmöglichkeiten von Investoren bereits vorab Regulierungen „im öffentlichen Interesse“ aus Angst vor kostspieligen und langwierigen Prozessen bzw. Urteilen verhindern können.
- Öffentliche Dienstleistungen müssen aus dem Abkommen vollständig ausgenommen werden und breiter und umfassender definiert werden als im Vertragstext. Reregulierungen und Übernahmen durch die öffentliche Hand müssen möglich bleiben und dürfen nicht Gegenstand von Investorenklagen werden. In diesem Zusammenhang sind Stillhalte- und Sperrklinkenklauseln, welche Rücknahme von Liberalisierungsmaßnahmen praktisch verunmöglichen, aus dem Vertrag zu entfernen. Ebenso dürfen sozial-ökologische Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht Gegenstand von Investorenklagen werden.
- Verstöße gegen grundlegend ArbeitnehmerInnenrechte müssen sanktionierbar werden. Ebenfalls muss es Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen Umweltstandards geben.
- Das EU-Vorsorgeprinzip muss in CETA explizit verankert und gegenüber dem „Wissenschaftsprinzip“ (das ist eine Art Beweislastumkehr – es muss nachgewiesen werden, dass z.B. ein bestimmtes Pestizid gesundheitsschädlich ist, und nicht umgekehrt) in CETA unbedingte Priorität eingeräumt werden.
- Es darf zu keinem „overrulen“ der Parlamente kommen – wie etwa durch den gemeinsamen CETA-Ausschuss, der ohne Einbindung des EU-Parlaments oder der Parlamente der Mitgliedsstaaten Tatbestände des Investitionskapitels interpretieren, erweitern, Anhänge und Zusatzprotokolle des Abkommens verändern und so Vertragsinhalte ändern kann.
Es braucht daher grundlegende Änderungen im Vertragstext statt Zusatzerklärungen und einer Scheindebatte über „Rechtsverbindlichkeit“. Im Klagsfall zählt letztlich der Vertragstext.
Das „Karlsruher“ Urteil gibt KritikerInnen in wichtigen Punkten recht
Der Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe hat am 13. Oktober ein bemerkenswertes Urteil gefällt. In diesem hat der BVG der deutschen Bundesregierung zwar erlaubt, der vorläufigen Anwendung zuzustimmen, allerdings nur unter Auflagen, die den demokratiepolitischen Bedenken der GegnerInnen durchaus recht geben:
- So muss sichergestellt sein, dass die „vorläufige Anwendung“ nur die Bereiche von CETA umfassen darf, die „unstrittig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen“,
- dass eine „hinreichende demokratische Rückbindung der im Gemischten CETA-Ausschuss gefassten Beschlüsse gewährleistet ist“ – der deutsche Bundestag also bei entsprechenden Beschlussfassungen ein Mitwirkungsrecht hat
- und Deutschland die vorläufigen Anwendung einseitig beenden darf, z.B. wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner abschließenden Beurteilung zu der Erkenntnis gelangt, dass das Abkommen verfassungswidrig ist.
Im Rahmen des parlamentarischen Ratifizierungsprozesses könnten sich damit auf nationalstaatlicher Ebene neue Möglichkeiten der Mitbestimmung ergeben – denn Mindeststandards demokratischer Teilhabe in Deutschland müssen wohl auch in Österreich und den anderen EU-Staaten gelten.
Jedenfalls gilt es seitens der Gewerkschaften im Falle einer Unterzeichnung des CETA-Abkommens seitens der Regierung aktiv in den parlamentarischen Prozess einzugreifen – auf EU – wie auf nationalstaatlicher Ebene – und Druck auf substanziell Änderungen des Vertrags zu machen – auch wenn das nur über eine Ablehnung des Gesamtabkommens geht.
Mit einer möglichen Unterzeichnung durch die Regierung ist der Kampf gegen CETA jedenfalls noch lange nicht zu Ende.