Beate Neunteufel-Zechner, Vertreterin der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB-Bundesfrauenvorstand hat einen Bericht vom ÖGB-Frauenkongress, der am 3. Juni, im Vorfeld des ÖGB-Bundeskongress tagte, verfasst. Was passiert ist, was gut war und was gefehlt hat, gibt es hier zu lesen.
Bericht zum ÖGB-Frauen-Kongress in Wien am 3. Juni 2009
Ich beginne meinen Bericht mit dem Reigen der FestrednerInnen:
Zur Begrüßung hob der designierte ÖGB-Präsident Erich Foglar die Leistungen der Frauenabteilung der letzten Jahre hervor, das waren unter anderem die Erreichung der Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes mit drei Bezugsvarianten und die Beteiligung an der Anhebung der Zuverdienstgrenze mit Jänner 2008. Als große Erfolge des ÖGB und der Frauenabteilung bezeichnete er auch die Einführung des Mehrarbeitszuschlags für Teilzeitbeschäftigte mit Jänner 2008 und die Umsetzung von 1.000 Euro Mindestlohn. Starke Frauenarbeit im ÖGB habe auch bewirkt, dass das Sozialpartnerpapier zur Chancengleichheit Aufnahme in den nationalen Aktionsplan der Regierung gefunden habe.
Die 1. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bezog sich auf die in ihren Ausmaßen überraschende Wirtschaftskrise und verband damit die Forderung, dass alle Anstrengungen darauf auszurichten seien, dass Menschen eine Beschäftigung mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen haben, vor allem aber sei auf die Arbeitsbedingungen der Frauen zu achten. Die überdurchschnittlich große Einkommensschere in Österreich sei vollkommen inakzeptabel und die Erklärung dafür einfach: „Diese verteufelte Teilzeit“. Teilzeitarbeit für Frauen sei das „Raus aus dem erlernten Beruf und rein in schlechter bezahlte Arbeit. Zur Lösung dieser Problemstellung bedarf es neuer Ideen, die sie den ÖGB-Frauen zutraut und wünscht.
Staatssekretärin Christine Marek sieht in der Krise auch eine Chance auf verstärkte Einforderung der Gleichstellungs- und Chancengleichheitspolitik. Eigenständigkeit und Alterssicherheit durch eigene Erwerbstätigkeit von Frauen müsse gefördert werden. Bildungsministerin Claudia Schmied war nur anwesend, die Krise in den österreichischen Bildungssystemen wurde nicht thematisiert.
AK Präsident Herbert Tumpel meinte, dass für Frauen durch den Einsatz der Gewerkschaften viel Positives erreicht wurde, dass es aber immer noch gewaltige Unterschiede in der wirtschaftlichen Stellung von Frauen und Männern gibt. Er kritisierte das Fehlen von echter Wahlfreiheit für Männer und Frauen, ob sie Teilzeit arbeiten wollen oder nicht, und fordert mehr Bildungsmöglichkeiten und neuerliches Nachdenken über alte Vorurteile zwischen den Geschlechtern.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek fordert für Frauen ein gewaltfreies, selbstbestimmtes und existenzgesichertes Leben. Sie will sich wie die ÖGB-Frauen für die echte Wahlmöglichkeit zwischen Teilzeit und Vollzeit einsetzen. Sie verbindet als einzige Rednerin unter den Festgästen Bildung und Migration in einem kurzen Statement, in dem sie die gleichen Voraussetzungen für alle Kinder schaffen will durch die Einführung der Ganztagsschule. Von ihr kommt auch der Hinweis, dass bei allen guten Forderungen von Frauen auf Umsetzbarkeit und Glaubwürdigkeit zu achten sei.
Einen Gutteil der Festreden durchzog das Bekenntnis zur Quote. Der aliquote Anteil von Frauen in Führungsgremien entsprechend der Anzahl der weiblichen Mitglieder sei im ÖGB nahezu erreicht und nicht mehr fern der Tag, an dem mehr Frauen als Männer in den ÖGB-Spitzengremien sein werden entsprechend dem Frauenanteil in der Bevölkerung. Ein Argument dafür könnte sein, dass die Industriellen-Vereinigung das Jahrhundert der Frauen ausgerufen hat. Von Roswitha Bachner wird dennoch beanstandet, dass die Einführung von Sanktionen bei Nichterfüllung der Quote bisher auch im ÖGB nicht durchgesetzt werden konnte. Der ÖGB hat damit auf eine weitere Chance zur vorbildlichen Wirkung einer landesweit anerkannten Organisation verzichtet.
Eine neue Geschäftsordnung wurde ohne Debatte angenommen zur Regelung der ÖGB-Frauen-Interna. Was leider nicht gelungen ist, war die Durchsetzung von besonderen Minderheitenrechten, unberücksichtigt blieb auch die Regelung einer Förderung der Partizipation von Migrantinnen in der Frauenabteilung. Gewerkschaften mit bis zu 2500 weiblichen Mitgliedern dürfen in Zukunft immerhin 2 Delegierte zum ÖGB-Bundesfrauenkongress entsenden. Von welchen Fraktionen diese Delegierten kommen werden, ist damit auch klargestellt. Intensivere Einbindung und Mitwirkungsmöglichkeiten für interessierte weibliche Nicht-Mitglieder waren zwar in Planung, wurden aber letztendlich nicht umgesetzt. Ich habe mir davon erwartet, dass dadurch die Zusammenarbeit mit NGOs und zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich für Frauen- und Menschenrechte einsetzen, vereinfacht wird. Ein bissel was vom vielgepriesenen Networking hätte ich mir in dieses Dokument hineingewünscht.
Der 16. ÖGB Frauenkongress wurde unter anderem auch einberufen, damit die Delegierten eine neue Frauenvorsitzende wählen. Vor der Wahl mussten sich alle Kandidatinnen des Wahlvorschlages kurz mit ihren Hauptzielen präsentieren. Dabei wurde intensiv gelächelt und betont, dass die Fortführung der bisherigen Frauenarbeit nicht aufgegeben werden wird, dass gegen die Einkommensschere und für mehr Frauen in Führungspositionen gekämpft werden wird.
Die Delegierten des 16. ÖGB Frauenkongresses wählten Brigitte Ruprecht mit 81,68 Prozent der Delegiertenstimmen zur neuen Vorsitzenden der ÖGB-Frauen.
Ihre Stellvertreterinnen sind:
Renate Anderl, GMTN (90,08 Prozent),
Ilse Fetik, GPA-djp (90,08 Prozent),
Monika Gabriel, GÖD (91,60 Prozent),
Christa Hörmann, GdG (91,60 Prozent),
Verena Mayr-Wiesner, GPF (80,15 Prozent) und
Elisabeth Vondrasek, vida (88,55 Prozent).
Auf die Bekanntgabe des Wahlergebnisses folgte der tränenreiche Teil der Veranstaltung, die Verabschiedung des soeben abgewählten Frauenpräsidiums. Renate Csörgits wurde besonders geehrt und ausgezeichnet. Ich habe ihr im Namen der Unabhängigen Gewerkschafterinnen gedankt für ihre Fairness in der Sitzungsführung und für die großzügige Einräumung von Wortmeldungen.
Vor dem Referat der neuen Vorsitzenden Brigitte Ruprecht, die sich stark machen will gegen die Armut von Frauen, beschlossen die ÖGB-Frauen ihr Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre. Einkommensgerechtigkeit, Abmilderung der Folgen der Krise auf Frauen und starke öffentliche Dienste stehen dabei im Zentrum.
Zur Beseitigung von Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern fordern die ÖGB-Frauen unter anderem die verpflichtende, systematische, transparente und geschlechtergerechte Arbeitsbewertung, um Arbeitsplätze von Frauen und Männern vergleichbar zu machen. Ein laufend aktualisierter Gehaltsrechner soll Auskunft über branchenübliche Einkommen geben und vor allem Frauen bei Bewerbungsgesprächen unterstützen. Eine schwierige Aufgabe zur Minimierung der Gehaltsungleichheiten kann die Durchsetzung eines „Kompetenzzentrums für die betriebliche Gleichstellung der Geschlechter“ werden.
Ein großes Kapitel mit recht allgemein formulierten Forderungen zu Gender Mainstreaming als Strategie – nicht nur im Arbeitsleben sondern auch in den Bereichen von Gesundheit und Bildung sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht in einem auffallenden Kontrast zu recht knappen Artikeln zur Wirtschaftskrise, zur sozialen Absicherung von Frauen, zur Neuregelung von Steuern und zum Thema „Frauen und Armut“.
Der kreative Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise wird in der Praxis an den Frauen hängen bleiben, im Forderungskatalog der ÖGB-Frauen wird der Staat aufgerufen, Krisensituationen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend schützend vorzubeugen, auch soll er mehr Geld für Investitionen im Gesundheits-, Betreuungs-, Pflege- und Sozialbereich zur Verfügung stellen. Die Forderungen an den Staat sind aus Frauensicht nicht unberechtigt, allerdings wäre auch ein Aufruf an die Verantwortlichen in Wirtschaft und Finanzwesen angebracht gewesen zu einem sorgfältigen Umgang mit Ressourcen und Lebenswelten. Ich gestatte mir an dieser Stelle die Überlegung aufzuwärmen, dass Gehaltsempfang nicht unbedingt mit einem Bankkonto verbunden werden muss.
Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird ein flächendeckendes, leistbares und qualitativ hochwertiges Kinderbetreuungsangebot, die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Elternteilzeit, die Einführung eines einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes mit Wahlmöglichkeit zwischen Zuverdienst- und Arbeitszeitgrenze gefordert. Dem Thema Bildung ist kein eigenes Forderungspaket gewidmet, es scheint erschöpfend behandelt zu sein mit der Forderung nach Ganztagesbetreuung bis zum Ende der Schulpflicht.
Zur besseren sozialen Absicherung von Frauen verlangen die ÖGB-Frauen unter anderem die generelle Versicherungspflicht für alle Beschäftigungsverhältnisse, die Verbreiterung der Finanzierungsbasis des Sozialversicherungssystems, die bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Pensionsversicherung und mehr öffentliche Dienstleistungen, allerdings nur zur Deckung von Grundbedürfnissen der Bevölkerung. Ein Ausbau des öffentlichen Dienstleistungssektors mit mehr Einsatzmöglichkeiten für Frauen wird nicht verlangt. Gar nicht berücksichtigt wird die Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Fraueninitiativen oder Erhaltung und Ausbau von humanitären Institutionen wie z.B. der österreichischen Frauenhäuser.
Obwohl die meisten Frauen in Österreich kaum je in die Lage kommen werden ein Vermögen zu bilden, sind die ÖGB-Frauen sehr vorsichtig mit ihren Forderungen nach einem neuen Umverteilungssystem und verlangen lediglich eine Evaluierung der Steuerreform 2009 als Basis für Maßnahmen mit mehr Steuergerechtigkeit. Die Anregung der Unabhängigen Gewerkschafterinnen zur Forderung nach Erhöhung der Arbeitslose (Nettoersatzrate) auf mindestens EU-Durchschnitt wurde angenommen.
Ökologische Nachhaltigkeit und Standortwahl als Forderung an österreichische PolitikerInnen und Wirtschaftstreibende, die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt, die Förderung und der Ausbau von alternativen erneuerbaren Energiesystemen, die auch neue Arbeitsplätze für Frauen bringen könnten, eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen werden in diesem Arbeitsprogramm nicht verlangt. Der Wunsch nach Berücksichtigung und Aufnahme weiblicher Aspekte in Wissenschaft und Forschung taucht marginal auf für den Bereich der Medizin, gar nicht erwähnt werden Frauenförderprogramme für Wissenschafterinnen und Frauen, die in der Forschung arbeiten wollen.
Nicht im Arbeitsprogramm verankert sind die Themenkomplexe Migration und Integration. Dass Frauen mit Migrationshintergrund nicht nur in der Öffentlichkeit sondern auch im Arbeitsleben mehrfach belastet und selbst bei der Bildungs- und Berufswahl Diskriminierungen ausgesetzt sind, wurde von den Unabhängigen Gewerkschafterinnen in einem aktuellen Statement festgehalten. Dass Integration als gesellschaftlicher Prozess auf Gegenseitigkeit und Partnerschaftlichkeit aufbauen muss und dass mit Ausgrenzung ab und zu eine Wahl, aber langfristig sicher nicht sozialer Frieden gewonnen werden kann, dazu gab es unsere Wortmeldung und die Aufforderung an die ÖGB-Frauen, diesen Forderungen in der nächsten Zeit vehement Nachdruck zu verleihen. Als unmittelbare Reaktion auf unsere Wortmeldung gab es die Versicherung, dass im Grundsatzprogramm, das aus Anlass des 17. ÖGB-Kongresses Anfang Juli beschlossen werden soll, dem Thema Migration ein Kapitel gewidmet werde.
Dass die ÖGB-Frauen-Kampagnen der nächsten Jahre den Anliegen von Frauen, die in Österreich leben und arbeiten, dienen mögen und ihnen die Öffentlichkeit verschaffen, die sie dringend zur Durchsetzung von notwendigen Veränderungen brauchen, wünsche ich uns allen sehr.
Beate Neunteufel-Zechner, Vertreterin der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB-Bundesfrauenvorstand